„Die moderne Kunst wird immer langweiliger!“

Angerer der Ältere ist Künstler, Architekt und Wegbegleiter von Fantasy-Legende Michael Ende. Er bangt um unsere Kultur, wenn die Kunst verschwindet.

Interview von Lisa Schwarzmüller, Juli 19, 2018
Angerer der Ältere.

Wer in der Welt von Kunst und Fantasie unterwegs ist, kennt seinen Namen. Er hat Michael Endes Figuren in Die Unendliche Geschichte II in der preisgekrönten Filmadaption Leben eingehaucht. Im Rahmen seiner derzeitigen Ausstellung im Deutschen Hopfenmuseum haben wir uns mit dem preisgekrönten Künstler und Architekten unterhalten: über Kunst, Glaube, Michael Ende, Frodo, Atreju, Bastian und was es bedeutet, wenn die Welt der Fantasie das eigene Zuhause ist.

Hallertau.de: Ich habe ein Zitat über Sie gefunden. „Angerer der Ältere sieht seine Aufgabe darin, der Kunst wieder Schönheit, Fantasie und Geheimnis zurückzugeben.“ Warum muss man der Kunst diese Dinge überhaupt zurückgeben? Wann hat sie die verloren?

Ludwig Angerer: Als der spanische Kulturphilosoph Ortega y Gasset in den Zwanzigern die Werke von Kandinsky und Arno Schönberg erlebte, schrieb er ein Buch: „Die Vertreibung des Menschen aus der Kunst“. Das ist tatsächlich passiert. Die Welt hat heutzutage immer weniger Interesse an Kunst, weil sie heute so fern jeder Vorstellungskraft eines allgemein interessierten Menschen stattfindet. Auch Kultur spielt deswegen keine Rolle mehr. Innerhalb der letzten 100 Jahre ist im Abendland etwas passiert, das es noch nie in der Menschheit gegeben hat: Kunst hat keinen Wert mehr.

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Man könnte auch sagen, Kunst und Unterhaltung haben sich vermischt. Es gibt ja mittlerweile auch in der Unterhaltungsindustrie anspruchsvolle Filme und Serien. Würden Sie da differenzieren?

Man hat ja den Eindruck, die besten Filme wären bereits gedreht worden. Das Filmgeschäft hat heute wesentlich mehr Möglichkeiten, inhaltlich wird aber alles oberflächlicher, weil es immer schneller gehen muss. Gute Filme sind für mich mittlerweile Einzelfälle.

Für gute Filme braucht es Fantasie. Die spielt in all ihren Werken eine zentrale Rolle. Warum ist sie so wichtig?

Sie ist der Ausgangspunkt jeglicher Art von Kunst, das war schon bei den Ägyptern und Griechen so. Mittlerweile ist alles normiert und verziffert. Die moderne Kunst wird immer langweiliger. Wenn ich moderne Kunstaustellungen sehe, dann bin ich ja nicht entsetzt! Wenn ich das noch wäre! Aber das schaffen die gar nicht mehr. Ich bin nur gelangweilt.

Sie wollen die größte Christusstatue der Welt bauen – von Langeweile kann man bei einem so riesigen Projekt nicht sprechen. Ihr Glaube ist Ihnen sehr wichtig, oder?

Es wäre eine tolle Botschaft, diese Christusstatue zu erschaffen in einer Zeit, in der die christlichen Werte verspottet und nicht ernst genommen werden. Wenn es so weit kommt – auch dank unserer Bischöfe und Oberklerikalen –, dass das Christliche verschwindet, wird das ein sehr großer Verlust. Für Gott nicht – der ist immer da. Aber es wird für Europa und vor allem Deutschland eine Katastrophe werden.

Aus kulturgeschichtlicher Sicht?

In jeder Hinsicht! Diese Vorstellung, eine Zeit zu haben ohne Gott, das ist nicht positiv, wie es manchmal hingestellt wird. Das ist ein Vakuum! Laizismus ist kein kultureller Gewinn, es ist ein Verlust. Es ist das Nichts.

Womit wir bei Michael Ende wären.

Genau.

Also keine greifbare Gefahr, sondern das, was passieren wird, wenn nichts mehr da ist, woran man sich festhalten kann?

So ist es. Das hat Michael Ende gerade in Die unendliche Geschichte fantastisch umgesetzt. Auch bei Momo, einem weiteren großen Werk, ist das ein Thema. Michael Ende hat mich da in meiner Entwicklung sehr geprägt.

Wenn wir schon bei ihrem Freund Michael Ende sind: Wie die kindliche Kaiserin lebt Kunst oft in einem Elfenbeinturm. Die Menschen finden immer schwieriger einen Zugang. Wie könnte man das in Ihren Augen ändern?

Es gibt Krankheiten, die bis zu ihrem Ende ausgelebt werden müssen. Erst dann geht es erst wieder aufwärts. Und das Ende dieser Krankheit könnte die große Katastrophe für uns werden. Nicht nur geistig, sondern auch physisch. Man kann nur hoffen, dass etwas übrig bleibt, worauf man wieder aufbauen kann. Das ist der Grund, warum ich heute male und schreibe. Es muss eine Wurzel geben, aus der wieder etwas Neues entstehen kann. Ich bin nur ein Mensch, der dazu beitragen kann. Ich hoffe, dieser Kulturpessimismus ist nicht das totale Ende. Es wird einen Neuanfang geben, nicht nur für die Kunst, sondern bestimmt auch für unsere Art zu leben.

Das Interview wurde bezüglich Länge und Lesbarkeit redigiert.