Digitalize Pfaffenhofen!

Pfaffenhofens Verwaltung soll digitaler werden. Das birgt viele Chancen und Risiken. Wir haben den Blick über den Tellerrand gewagt, und uns angesehen, wie eGovernment an anderen Flecken der Erde funktioniert.

Reportage von Lisa Schwarzmüller, September 28, 2018

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Will man von Reichertshofen nach Wolnzach ziehen und seinen Wohnort ummelden, geht man ins Rathaus, holt sich ein Formular, füllt das Formular aus, lässt es unter Umständen vom Vermieter unterschreiben und bringt es zurück. Dort werden die Daten von Mitarbeitern digitalisiert – kompliziert? Einen Großteil dieser Schritte könnte man überspringen. Deutschland soll digitaler werden, vor allem im Bereich des so genannten „EGovernment“. Amtsgeschäfte bequem vom Laptop oder Handy zuhause aus, Einreichung des Bauantrages einfach über den heimischen PC. Klingt irgendwie nach Zukunftsmusik, ist aber in anderen Ländern schon lange Zeitgeist.

Am Montag tagte der Kreistag des Landkreises Pfaffenhofen genau zu diesem Thema. Landrat Martin Wolf hatte sich kompetente Hilfe an die Seite geholt, um den Kreisräten einen Plan für die Digitalisierung der öffentlichen Hand vorzulegen. Dr. Andrea Prexl von der Technischen Hochschule in Ingolstadt stellte das Projekt „Mensch in Bewegung“ vor – eine Initiative der THI, um drängende Probleme der Gesellschaft wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt, soziale Ungleichheit oder demografischer Wandel anzugehen. Bestenfalls mit den Menschen direkt. Sie machte deutlich: Eine der größten Hürden bleibt der digitale Wandel, denn irgendwie tut man sich in Deutschland mit dem Gedanken an einer gänzlich digitalen Welt noch sehr schwer.

Was passiert mit den Leuten, die vom digitalen Wandel überfordert sind? Was machen wir mit den Menschen, die sich am Ende von einer digitalen Revolution überrollt fühlen? Und wie sicher sind überhaupt unsere Daten? Tatsache ist: EGovernment wird kommen. Am 18. August 2017 trat das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (OZG) in Kraft – die Landkreise müssen nun innerhalb von fünf Jahren darauf reagieren. Die vehementen Gesetzesforderungen werden dabei von ebenso vehementen Ängsten der Bevölkerung begleitet. Dabei birgt das Konzept des EGovernment sowohl große Chancen als auch Risiken: Best-Practice-Modelle aus der großen Welt, die zeigen, wo es auch für uns im Landkreis Pfaffenhofen mal hingehen könnte – oder auch nicht.

Estland: Digitale Verwaltung

Das kleine Land im nördlichen Baltikum hat sich in den vergangenen Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs einen Namen gemacht. Der Grund dafür ist nicht zu übersehen, wenn man in das Browserfenster estonia.ee eintippt. Geburtenmeldungen, Beantragungen beim staatlichen Sozialdienst, Ummeldungen bei Umzug – es gibt kaum noch einen Grund für eine Estin oder einen Esten, in die örtliche Behörde zu kommen. Der komplette Verwaltungsprozess ist blockchain-basiert, erklärtes Ziel ist es, den Menschen möglichst selten die gleiche Frage noch einmal stellen zu müssen. Ein Beamter notiert eine Information einmal und jede andere Behörde kann darauf zugreifen. Änderungen sind stets nachvollziehbar und kryptographisch miteinander verkettet.

Jeder Este hat eine eigene elektronische ID und eine digitale Unterschrift – von der digitalen Krankenakte bis zur digitalen Steuererklärung läuft alles in zentralen Datenbanken zusammen. „Die Verwaltungsseite von Estland macht richtig Spaß“, erklärt auch Dr. Prexl von der THI den Kreisräten Pfaffenhofens, wo sie Estland als Paradebeispiel für eGovernment präsentierte. Ein digitaler Traum, der aber auch viele Fragen aufwirft. Wie anfällig ist das System für Hacker? Wie schnell kann man das Konzept der „digitalisierten“ Gesellschaft auf ein Land mit der siebenfachen Fläche und der 62-fachen Bevölkerungszahl, nämlich Deutschland, realisieren? Denn dafür braucht es vor allem eines: Flächendeckend funktionierendes Internet – und das steckt auch im Landkreis Pfaffenhofen trotz großer Bemühungen der Kommunen noch an vielen Stellen in den Kinderschuhen.

Südkorea: Digitale Demokratie

Dass Südkorea das Thema Digitalisierung verstanden hat, zeigt es nicht nur in seiner Vernetzung untereinander (2015 hatten bereits 80 Prozent aller Südkoreaner ein Smartphone, etwa 90 Prozent der Haushalte hatten bereits Breitbandinternet).  In Südkorea sind Wahlen digitalisiert – durch die sogenannte „Smart Governance Initiative“ und ihr „mVoting-System“. Dabei geht es nicht nur um die Wahlen zu politischen Organen – auf einer Kommunikationsplattform zwischen Regierung und Volk können die Menschen über bis zu 800 verschiedene Themen direkt abstimmen. Über das sogenannte „Oasis“-System  können Bürger unmittelbar Verbesserungsvorschläge an die Verwaltungen eingeben.

Das sind nur zwei der umfangreichen Systemerneuerungen, die Südkorea zu einem der führenden Länder im Bereich des eGorvernment machen. Über Nacht kam diese Entwicklung dabei nicht. Schon seit den 80er Jahren arbeitet man dort an einer digital gestützten Zivilgesellschaft. Auch für andere Länder würden sich im Bereich der direkten, unmittelbaren Demokratie ganz neue Handlungsfelder ergeben, und das nicht nur über die bereits bestehende Möglichkeit der Online-Petition. Diese nutzen die Menschen im Landkreis Pfaffenhofen bereits. Prominente Beispiele sind nicht zuletzt der Streit um das Wolnzacher Volksfest oder den Hähnchenmastbetrieb in Eschelbach. Warum also die Digitalisierung nicht nutzen, um ein kleines Stückchen Demokratie mehr zu wagen?

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