Perspektivwechsel „Gillamoos-Style“

Nirgendwo in Deutschland geht es zwischen Schweinshax’n und Riesenrad so politisch zu wie am Gillamoos. Was denken die Besucher über Söder und Co.?

Reportage von hallertau.de, September 4, 2018

Für gewöhnlich gehört die Bühne beim politischen Frühshoppen am Gillamoos den Söders, Nahles und Özdemirs der Welt, die sich in Bierzelten und Hallen für die ultimative Mischung aus politischer Werbung und verbalem Polit-Slapstick feiern lassen. Aber was ist mit der „Bierbankfraktion“, jenen Menschen, die das Spektakel alljährlich verfolgen? Wir haben mal nachgefragt.

Eine Reportage von Lisa Schwarzmüller und Max Schwarzhuber

Im Jungbräuzelt: Wie kann man so daherreden, Herr Söder?

SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles und Spitzendkandidatin Natascha Kohnen ließen bei ihren verbalen Attacken kaum ein gutes Haar an „Landesvater“ Markus Söder. Eine unklare Haltung habe er bezüglich der AfD. Die rechtsradikalen und –populistischen Entwicklungen, wie sie beispielsweise Chemnitz Straßen noch immer erschüttern,  seien auch Ursache verbaler Entgleisungen wie dem vielgescholtenen „Asyltrourismus“. Auch Rudi aus Abensberg sitzt im Jungbräu-Festzelt und hört sich an, was das Duo zu sagen hat.

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Der gelernte Schreiner bietet Rückendeckung: „Dieser Jargon regt mich auf“, meint der 54-Jährige, während er der Bedienung das Geld für seine Rahmschwammerl in die Hand drückt. „Die CSU hat ihre Menschlichkeit verloren, noch dazu ist das eine einzige Vetternwirtschaft bei den Schwarzen“, erklärt er. Für ihn ist vollkommen klar, wo er im Oktober sein Kreuz macht. „Die SPD hat diese schlechten Umfragewerte einfach nicht verdient, nur weil sie sich aus dem Hick Hack zwischen Kanzlerin und CSU rausgehalten haben, heißt es nicht, dass sie nicht auch Politik machen.“ Was er sich wünschen würde? „Ich will, dass Söder sich entschuldigt. So ein Haudrauf hat auf dem bayerischen Thron nichts verloren.“

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Im Hofbräuzelt: Bayern, das Premiumland!

Die Stimmung im aufgeheizten Hofbräuzelt am Gillamoos in Abensberg ist schon am Vormittag ausgelassen. Maximilian aus Mainburg verfolgt aufmerksam Markus Söders Rede. Der spricht von Bayern als das „Premiumland“ in Deutschland, Maximilian kann ihm nur zustimmen und verweist dazu auf den Länderausgleich und die ausgezeichnete Bildung in Bayern.

Die hohe Sicherheit in unserem Bundesland sei ihm ebenfalls wichtig, auch wenn dafür Abstriche bezüglich unserer Freiheit hingenommen werden müssten. Die hohen Sicherheitsstandards kann man hier auf dem Gillamoos auch hautnah miterleben: Vor und in den Zelten sorgt ein großes Aufgebot von Polizisten für einen sicheren Ablauf. Die Anforderungen an die Sicherheit haben sich ohnehin in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Mittlerweile gäbe es das Internet, viel mehr Zuwanderung und deutlich mehr Gewalt von rechts, meint Maximillian. Das erfordere ein massives Umdenken in der Politik.

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Im Weinzelt: Frauen an die Macht!  

Schon letztes Jahr nutzte Cem Özdemir vom Bündnis 90/ die Grünen das Weinzelt für den Frontalangriff auf CDU, CSU, FDP, AfD und Co. Damals war er selbst noch Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, für den bayerischen Landtag trat Katharina Schulze zwischen Hopfendeko und rustikalem Hüttenchic ins Rampenlicht.

Elena ist dieses Jahr schon früh am Morgen nach Abensberg gereist, um sich einen Platz weit Vorne zu sichern. „Ich will Kante zeigen, irgendwie vermitteln, dass ich es gut finde, dass so viele Frauen in die Opposition gegen Söder treten“, erklärt die junge Frau. „Ich mag Katharina Schulze – sie ist erklärte Feministin und redet ganz anders, als wir es von diesen Traditionalisten und verbohrten Männern in der CSU kennen.“ Sowohl bei der SPD, als auch bei den Grünen gäben die Frauen den Ton an, und man sehe, dass das der Debattenkultur in Deutschland gut tue. „Söder geht es um seine Position und seine Geltung, nicht mehr um Inhalte“, schließt die gebürtige Weißrussin ab, bevor ihre mit angereiste Freundin wieder ihre Aufmerksamkeit fordert. Ganz schnell reißt sie sich nochmal los und ruft hinterher: „Wir müssen endlich diesen Status Quo verändern, der dauert schon viel zu lange!“

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Im Weißbierstadl: Herr Aiwanger und die echten Alternativen

Hubert Aiwanger hatte den Trick mal wieder geschafft – brauchen die Freien Wähler einen Spitzenkandidaten, ist er der Mann der Stunde. Auch dieses Jahr war das Weißbierstadl, traditionell die Bühne der FW, gut besetzt. Die Alternative in der Mitte will er sein.  Sein Publikum ist auf seiner Seite – zumindest Renate.

Die 43jährige tingelt schon den ganzen Vormittag über das Festzelt, sieht sich alle Parteien mal an. Eigentlich ist sie nur neugierig. „Man sieht diese Leute immer im Fernsehen und der Zeitung, ich wollte mir jetzt mal ein richtiges Bild von ihnen machen“, erklärt sie. Auch dafür ist der politische Stammtisch eben wie gemacht, Politiker mal so nah wie möglich zu sehen. Vor allem „dieser Söder“ hat sie interessiert. Bei Hubert Aiwanger ist sie aber dann hängen geblieben. „Das ist ein bodenständiger Typ“, meint sie. Ihr gefällt die konservative Linie, er wirke fast ein bisschen, wie ihr Nachbar daheim in Mainburg. „Von Söder kann ich das nicht behaupten“, grinst sie. Jetzt müsse sie aber weiter, die Schulze wolle sie nämlich auch noch sehen.