Schöne Spaziergänge in der Hallertau #4: Scheyern und die belebte Vergangenheit

Anzeige, Foto-Reportage von Michael Urban, Mai 20, 2020

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Vor ein paar Jahren ist mir Scheyern nach einem Spaziergang als ein schöner, meditativer Fleck in Erinnerung geblieben. Da ich mittlerweile ein paar Leute von hier kenne, bot sich also eine intensivere Runde mit Kamera für unsere Serie an. Mit dabei ist dieses Mal Gast-Fotografin Alicia Testera, die mich als „Local“ mit auf Tour nimmt. Alicia ist selbständig mit ihrem Projekt Esspression, bei dem es um Foodphotography und Content-Marketing geht. Ich habe mich also sehr gefreut, dass sie mir in ihrer Freizeit ihre Heimat zeigt und nebenbei auch noch Impressionen für unseren Beitrag einfängt. Gracias, Alicia!

Bild: Alicia Testera

Scheyern verfügt mit dem Panoramaweg, Benediktusweg, Akazienweg, Keltenweg, Biodiversitätspfad und einem Zubringer zum Jakobsweg schon über einige ausgeschilderte Wanderwege. Also war es unser Ziel, sich ein paar coole Wegpunkte davon herauszupicken, aber auch einzigartige, neue Eindrücke zu gewinnen. Und dabei natürlich die Strecke zu genießen. Persönlich habe ich eine kleine Parallele nach Rohr gezogen, denn auch dort hat ein Kloster großen Einfluß auf die Entwicklung eines kleinen Ortes genommen. Allerdings ist Scheyern mit rund 4.900 Einwohnern ein gutes Stück größer als Rohr und das Kloster ist viel stärker ausdifferenziert und proaktiver in das Leben vor Ort integriert. Es weht in Scheyern eine Brise Geschichte, die nach Zukunft riecht. Das will erkundet werden!

Karte

1 | Hammerschmid-Weiher

Gleich bei der Ankunft fällt mir der Hammerschmidweiher mit ein paar Schwänen darauf auf. Also gibt’s hier gleich mal einen kleinen Abstecher, um mich auf den Ort einzustimmen.

2 | Kloster Scheyern

Nun geht’s los mit der ersten offiziellen Station: dem Kloster von Scheyern. Die Anfänge der Benediktinerabtei gehen bis ins Jahr 1077 zurück, der Umzug nach Scheyern geschah 1119. Die Mönche bauten die Kirche und die ganze Klosteranlage gemäß der Hirsauer Baukunst nach dem Grundmaß eines Einheits-Quadrats, das in Scheyern 9,6 Meter (32 Fuß) misst und noch gut nachweisbar ist. Das Kloster in Scheyern war zwar nie eines der größten, ist aber extrem vielseitig. Es kann viele Leistungen auf den Gebieten der Theologie, Seelsorge, Erziehung, Wissenschaft, Kunst, Buchpflege und Musik aufweisen.

Es beherbergt eine BOS und eine FOS und verbindet zahlreiche Betriebe miteinander. Es gibt zum Beispiel eine Klosterschenke, einen Klosterladen, das Klostergut Prielhof, eine Teichwirtschaft, eine Gärtnerei, eine Fortswirtschaft, eine Metzergerei und Käserei und eine Klosterbrauerei. Außerdem kann man dort Tagungen oder Seminare abhalten und am klösterlichen Leben teilnehmen. Mit freundlicher Genehmigung dürfen wir das Klostergelände nach schönen Motiven absuchen. Am liebsten möchte man alles noch viel genauer anschauen, aber dazu bräuchte man deutlich mehr Zeit. Ich sauge noch einmal die gepflegte Feierlichkeit des Klosters auf, sammle vor den Mauern Alicia auf und gemeinsam ziehen wir los Richtung Prielhof.

3 | Der Prielhof

Wir queren bei der Klosterbrauerei die Straße, schlendern am Parkplatz am Schöneck vorbei und lassen die Tennisplätze links liegen. Es geht zwischen mächtigen Eichen einen kleinen Weg den Klosterberg hinab und nach 500 Metern sind wir schon am Klostergut Prielhof, dem Zentrum der klösterlichen Produktion. Seit 2016 wurde der Betrieb mit seinen umliegenden Feldern auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt. Nachhaltigkeit, Produkt- und Artenvielfalt und Energieeffizienz stehen hier im Vordergrund. Jahrelang diente der Prielhof der Technischen Universität München als wissenschaftliches Versuchsgut, von 2005 bis 2015 untersuchte ein Forschungsprojekt des Helmholtz-Zentrums München in einer Langzeitstudie die Unterschiede zwischen konventioneller und ökologischer Bewirtschaftung. Ziel ist es, die Produkte über die eigenen Betriebe oder Kooperationen weitestgehend regional zu vermarkten.

Vor dem historischen Gebäude finden wir einen Skulpturengarten, der schon einen Hinweis auf das zwei Mal jährlich stattfindende Kulturfestival „Kunst im Gut“ darstellt, das auch einen Künstlermarkt einschließt. Oberhalb steht die neue, moderne Lagerhalle, wo wir auf ein paar Ziegen stoßen. Des Weiteren sind noch Rinder und Hühner an den Betrieb angekoppelt, ebenso wie der Ackerbau. Wir schauen kurz 150 Meter nach Süden zum „Sauweiher“ und suchen nach der seltenen Wassernuss – vergeblich. Nach 800 Metern Westwärts-Marsch treffen wir auf dem Weg zum Benediktusweg einen mobilen Hühnerstall des Prielhofes. Die Bewohner spazieren munter über die Wiese und picken sich ihre Kräuter wie sie lustig sind. Bye, bye, chicken-folks!

Foto: Alicia Testera
Fotos: Alicia Testera

4 | Hügelgräber

Der Weg zu den Hügelgräbern führt zwischen dem Leitenwald (rechts) und der kleiner Kohlstatt (links) hindurch, bald befinden wir uns am Waldrand, der den Blick nach rechts frei gibt. Wir lassen das Auge über das grüne, wogende Weizenmeer schweifen und sehen den Ort Winden im Westen. Vom Prielhof aus sind wir nun zwei Kilometer Richtung Süd-Westen gegangen, bis wir an eine Kreuzung kommen, die links zu den Hügelgräbern am Keltenweg führt. Nach 200 Metern finden wir die ersten links vom Wegesrand. Die Gräber sind an sich nicht spektakulär – kleine Hügel eben. Die aber 2300 Jahre alt sind. Sie aufzuspüren und zu erahnen und sich mit Hilfe der kleinen Grafik ein grobes Bild von ihrem Inneren zu machen, macht uns für kurze Zeit zum Hobby-Archäologen. Den Grabcharakter verstärken zufällig ein paar Ketten von Forstfahrzeugen, die wie Skelette gleich neben einem der Gräber am Waldboden liegen. Da ein größerer Fußweg vor uns liegt, nehmen wir die Beine in die Hand und ziehen 500 Meter nach Osten. Dort ist eine Kreuzung, die uns nach Süden zur Keltenschanze führt.

5 | Zur Keltenschanze

Nach gut 600 Metern biegen wir links ab und halten uns dann nach ebenfalls gut 600 Metern rechts. Nun geht es noch 500 Meter südwärts, bis wir an der Keltenschanze sind. Bei der Durchquerung durch den Wald ist uns aufgefallen: es geht rund hier! Immer wieder finden sich Spuren von Maschinen und Flächen, die ausgeholzt wurden. Der Wald scheint aber gesund, es gibt viel Unter- und Mittelschicht, außerdem einige Auen-Flecken mit tiefgrünem Gras und Farnbewuchs. Besonders schön ist es, wo der Ziegelnöbach 500 Meter nördlich von der Keltenschanze unseren Weg kreuzt.

Die Schanze selbst ist zum Zeitpunkt unseres Besuchs aufgrund von Waldarbeiten nicht besonders gut begehbar. Sie gehört zu den Viereckschanzen, die zwischen dem 3. und 1. Jahrhundert v. Chr. gebaut wurden. Die Graben-Wall-Kombination umfängt eine Fläche von 120 x 75 Metern und weist ein Tor an der Südseite auf. Ausgrabungen hat es hier noch nicht gegeben, so bleibt leider nur eine Ahnung dessen, was das Gelände früher einmal bedeutet hat. Man vermutet kultische Hintergründe oder einen durch Wall und Graben betonten Bereich innerhalb einer Siedlung, der eine wichtige Funktion in der keltischen Siedlungslandschaft einnahm. Der Wall ist hier teils 1,20 Meter hoch und oft zugewachsen. Wie bei den Hügelgräbern ist schon ein wenig Fantasie und Hintergrundinfo nötig, um diesem Ort näher zu kommen.

6 | Mediterranes Scheyern

Zeit für den Rückweg! Vielleicht schaffen wir es noch auf frisches Feierabendgetränk in den Klosterbiergarten, denn der hat zwar seit der Corona-Krise heute zum ersten Mal wieder offen, aber eben nur bis 20:00 Uhr. Von der Keltenschanze geht es 1,3 Kilometer in den Norden, wir passieren Mountainbike-Trails, zwei wandernde Mädels mit Karte und Schlafsäcken, ein Eichhörnchen und einen Feldhasen. Auf der Höhe von Fernhag biegen wir links ab und finden uns nach 800 Metern an der Kreuzung wieder, die uns vorher nach Süden zur Keltenschanze geführt hat. Von dort schlendern wir einen Kilometer vor uns hin, bis die Weiher und Felder südlich des Prielhofs wieder vor uns auftauchen. Am ersten Weiher, dem Teufelsweiher, biegen wir rechts ab und folgen dem Akazienweg bergaufwärts. Nach 400 Metern erreichen wir „Konrads Eiche“, wo wir noch einmal den Blick über den Südwesten von Scheyern schweifen lassen. Jetzt wird auch klar, warum dieser Landstrich die „Toscana von Scheyern“ genannt wird. Die Pappelallee am Horizont und die sanften Hügel machen bei sinkender Sonne definitiv was her.

Lichtnelke

7 | Abstecher: Waldkindergarten

Wer noch ein bißchen mehr von der Gegend sehen und einen alternativen Weg nach Scheyern zurückgehen will, biegt in Fernhag Richtung Nordosten ab. Alicia will mir noch einen Waldkindergarten zwischen Scheyern und Ilmmünster zeigen, den wir nach 2,2 Kilometern Fußmarsch erreichen. Auf dem Weg finden wir weitere grüne Weizenmeere, ein kleines Wäldchen mit traumhaft weiß-blühendem Acker-Hornkraut im Halbschatten, ein paar interessante Motive an einer Kiesgrube und ein mit gelb leuchtendem Hahnenfuß übersätes Wiesental. Der Waldkindergarten befindet sich am südlichen Rande eines Waldes und ist aufgrund von Corona im Moment verlassen. Die Idee, Kinder fast durchgehend im Freien zu beschäftigen und zu betreuen, ist in den 1950ern in Dänemark entstanden. Angestrebt wird eine positive Entwicklung der kindlichen Motorik und Wahrnehmung sowie des Immunsystems. Von wegen Home-Office… Wood-Office! Das Tipi bringt noch ein wenig Indianer-Flair mit ins Spiel. Schon cool. Ich glaube, das hätte mir auch sehr gefallen. Vom Waldkindergarten von Ilmmünster sind es gut zwei Kilometer Fußmarsch in nordwestlicher Richtung bis zum Ortskern von Scheyern.

Foto: Alicia Testera
Fotos: Alicia Testera
Fotos: Alicia Testera

8 | Little America

Auf dem Rückweg zum Kloster schauen wir bei David Wildgruber vorbei, der sein Metallbauunternehmen direkt gegenüber vom Klostergelände hat. Dave ist ein alter Spezl und nach einem kurzen Ratsch bietet er an, uns seine aktuellen Projekte zu zeigen. Bei denen handelt es sich um alte US-Kisten, die er mit Hilfe seines Bruders restauriert und aufbessert. Puttin‘ the pedal to the metal! Da ich selber schon einmal mitgefahren bin, weiß ich, wie es sich anführt, wie Steve McQueen durch die Gegend zu rauschen. Wir ziehen uns einen Buick Riviera, ein Luxuscoupé, einen Ford Mercury Monterey sowie einen Dodge Mowag, ein Schweizer Allroundfahrzeug, rein und fragen Dave dabei nach seiner Einschätzung zu seinem Heimatort.

„Scheyern ist ein gigantischer Ort der Ruhe“, findet er. „Die Landschaft und Umgebung mit ihren Erhöhungen und Tälern macht Sinn. Der Prielhof hat zum Beispiel seine ganz eigene Form, wo sich jetzt das historische Gebäude mit dem modernen Neubau kombiniert. Also wo sich Vergangenheit und Zukunft treffen und man beides vergleichen kann.“ Klingt ein bisschen wie die Sache mit den Oldtimern, hm, Dave? „Ja… das ist auch eine Form der Vergangenheit, die immer wieder belebt und neu erfunden wird.“ Wer hätte gedacht, dass wir ein so philosophisches und zum Ort passendes Zitat zum Ende unseres Spaziergangs bekommen? Das schreit nach Biergarten, besser wird’s nicht.

Gemeinsam auf dem Weg!

Auf unseren Spaziergängen sind wir gerne gut unterwegs. Und dafür ist ein anständiger Schuh unabdingbar. Wie cool, dass mit LOWA gleich am Rand der Hallertau ein Fußwerk-Experte am Start ist, der genauso gerne wie wir auf Entdeckungstour geht. Die Zusammenarbeit mit LOWA und der Austausch von Ideen inspiriert uns sehr – vielen Dank dafür! Pack ma’s, das nächste Abenteuer wartet!

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