Zitat der Woche: „Freiheit“

Unsere freie Fotografin Verena Raßhofer mit einem Kommentar und einer kleinen Beobachtung zur Osterzeit im Jahr 2020.

Kommentar von hallertau.de, April 12, 2020

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Ich kenne ihn in- und auswendig, den Schriftzug in weißen Großbuchstaben, der vor Jahren auf den vermoosten Verteilerkasten hier ums Eck gesprüht wurde. FREIHEIT.

Heute ist aber irgendwas anders. Nicht am Schriftzug, sondern in meinem Kopf. Als ich die ersten Male daran vorbei gelaufen bin, habe ich mich oft gefragt, aus welcher Motivation heraus jemand ausgerechnet dieses eine Wort an die Wand schreibt. Ich meine, klar, Freiheit ist ein sehr hohes Gut, nur kamen mir andere Themen, wie Toleranz, blinder Konsum, etc. brisanter und aktueller vor. Vor allem, weil ich dachte, wir leben ja in einem freien Land. Wir sind frei. Eigentlich seit ich denken kann. Wir sind frei in unserer Berufswahl, frei in der Wahl unseres Partners, ich darf öffentlich meine Meinung sagen, ich entscheide mich bewusst dafür, wie ich leben will und theoretisch könnte ich fast an jedem Ort dieser Welt leben.

Also habe ich wohl innerlich beschlossen, dass ich mich frei genug fühle. Dass sich zwar scheinbar jemand anders Gedanken darüber macht und vielleicht mit seinem Maß an Freiheit hadert, aber mich dieser Ausruf oder Aufruf „Freiheit“ nicht betrifft. Also habe ich den Schriftzug auf dem Verteilerkasten dann irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen und bin unzählige Male daran vorbeigegangen, gelaufen, geschlendert, geradelt, ohne ihn weiter zu beachten.

Und heute… ist alles anders. FREIHEIT – die weißen, mittlerweile etwas verblassten Buchstaben machen etwas mit mir. Denn in diesen Tagen, in denen ich plötzlich nicht mehr frei entscheiden kann, mit wem ich mich treffe, wo nur noch bestimmte Zwecke und Orte erlaubt sind, bekommt das Wort aus der Spraydose für mich nochmal eine neue Bedeutung. Und wenn ich noch über längere Zeit in meiner Freiheit eingeschränkt wäre, vielleicht wäre ich dann die nächste, die aus einer tiefen Sehnsucht heraus in großen Buchstaben „FREIHEIT“ an eine Wand sprühen würde. Und niemand würde es wissen.

„Graffiti hat mich schon immer fasziniert, es transportiert einfach etwas – egal ob große Kunst oder Schmiererei.“

Verena Raßhofer, freie Fotografin

Wie viel hilft aktuell ein einfaches "Don't worry - be happy"?

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