Mein Lieblingsort in der Hallertau #3: Die Keltenschanze
Mein Lieblingsort in der Hallertau
Klar, Vielfalt ist etwas Schönes. Und doch gibt es manche magische Plätze, die uns immer wieder in ihren Bann schlagen und zu denen wir gerne zurückkehren. Wo man immer wieder gerne auf einen Drink hingeht und alte Bekannte trifft. Ein Weiher, an dem die Uhren einfach ein bißchen anders ticken. Oder ein Winkel, an den wir nur unsere besten Freunde mitnehmen. Diese Rubrik ist nicht nur ein Lieblingsplatz auf unserer Seite, sondern auch ein Ort, um unseren ganz eigenen Favoriten in der Hallertau ein Zuhause zu geben.
Jahrzehnte lang war sie mir verborgen geblieben. Erst als mich eine Verletzung zum Joggen „zwang“ und ich so meine nähere Umgebung immer mehr erkundete, tauchte sie auf einmal wieder am Wegesrand auf: die Keltenschanze. Keine Beschilderung wies auf sie hin, aufgrund des angrenzenden Jagdschutzgebietes war es hier fast geisterhaft ruhig. Und doch wusste ich instinktiv: wenn ich hier in den großen Buchenhain abbiege, dann finde ich sie. Und vielleicht noch etwas anderes, von dem ich gar nicht wusste, dass ich es vermisse. Als der große Erdwall dann vor mir auftauchte, dämmerte es mir wieder. Hier waren wir früher am Wandertag in der Grundschule. Der Flashback-Modus setzte ein. Dazu kam im Grundschulalter, dass meine Eltern meinem Bruder und mir „Der Herr der Ringe“ vorgelesen haben. Seite für Seite. Elben, schwarze Reiter, sprechende Bäume und Waldläufer – kein Wunder, dass Tolkiens Mythologie bei mir Spuren hinterlassen hat.
Das Thema mit dem Ring spiegelt sich passenderweise auch in der Architektur der „Keltenschanze“ bei Au in der Hallertau wider, denn sie ist ein frühgeschichtlicher Ringwall mit drei Toren. Dieser dürfte so 500-800 n. Chr., zwischen der Römerzeit und dem frühen Mittelalter, errichtet worden sein. Durch den umliegenden Spitzgraben ragt die Schanze teils bis zu sechs Metern gen Himmel. Wenn ich mich den Wall hinaufarbeite, über umgestürzte Bäume springe, den Pfad entlangeile und den Blick schweifen lassen, ertappe ich mich beim Fantasieren. Wie viele Hände und welches gemeinsame Ziel waren wohl vor über 1200 Jahren nötig, um so eine Anlage zu erschaffen? Oder wie wäre es, wenn dort drüben die brüllenden Orks anstürmten, versuchen würden, sich durch den mit Pfählen gespickten Graben zu kämpfen und ich sie zu guter Letzt abwehren müsste? Es braucht nicht viel, um an diesem Ort das Kopfkino anzuwerfen.
Wahrscheinlicher als eine militärische Anlage ist jedoch, dass der Ringwall früher ein Versammlungsort für Priester, ein Gerichtsplatz oder ein Platz war, wo die Bevölkerung gemeinsam gespeist hat. Genaues weiß man nicht. Und es ändert auch nichts an der Faszination des Ortes, der unter den hohen Buchen schlummert. Man spürt sein Alter, stellt sich vor, welche Szenen er schon miterlebt hat und ahnt was er für viele Menschen einmal bedeutet haben könnte. Klein und unwissend fühle ich mich in seiner Gegenwart manchmal, die Zeit wird relativ. Eine kuriose Erfahrung, bei der die Sinneswahrnehmungen verschmelzen: die körperliche Betätigung, der Geruch des Waldes, kühle Schattenflecken, die Stille und eben die mystisch inspirierte Vorstellungskraft. Ein immer wieder beeindruckender Weg, seine eigene Existenz wahrzunehmen. Es wäre schade, wenn diese Erfahrungswelt dem Menschen mit fortschreitender Digitalisierung einmal komplett abhanden kommen würde.
Wenn hier im Frühling der Wald sein zauberhaft frisches Grün zeigt und die Sonne durch das fein ziselierte Blätterdach blinzelt, dann erhält dieser Ort einen geheimnisvollen, feenhaften Charakter, der mich magisch anzieht. Wenn ich nicht aufpasse, dann gleitet er mir beim nächsten Windstoß vielleicht wieder durch die Finger und bleibt wie ein Tor zu einer anderen Welt für immer verloren. Hoffentlich vergisst der Mensch nicht, ihn zu schützen. Seine Ruinen zu bewahren, ihn pfleglich zu behandeln und den Wald nicht für ein Neubaugebiet zu roden. Wo sonst könnten sie sich so nahe kommen – Tolkiens „laufender Uruk Hai“ und der „tollkühn“ laufende Urban Mike? Dieser Ort ist wahrhaftig einer meiner Lieblingsorte. Ab und zu teile ich ihn mit guten Freunden. Er erfüllt mich mit Frieden, mit Demut, mit großen und kleinen Gedanken. Und nicht versiegender Dankbarkeit.
„A forest ecology is a delicate one. If the forest perishes, its fauna may go with it. The Athshean word for world is also the word for forest.“