AfD vs. „Pfaffenhofen ist bunt“

Die AfD lädt um MdB Johannes Huber zur Kundgebung ein, das Aktionsbündnis „Pfaffenhofen ist bunt“ hält mit einer Kundgebung dagegen. Eine Momentaufnahme.

Feature von Lisa Schwarzmüller, September 19, 2018

Kinder tanzen vor einer Bühne, eine junge Frau singt „This land is your land, this land is my land“. Rund 300 Menschen lachen und reden miteinander, die Stimmung ist locker und gelöst. Fast 300 Meter weiter rollt ein Lkw an. Die Plane wird hochgezogen, ein Rednerpult wird installiert. Auch hier formieren sich circa 100 Menschen, die Stimmung ist angespannt. „Links gegen rechts“, schmunzeln die einen. „Gutmenschen gegen Wutbürger“, meinen die anderen. Pfaffenhofen solidarisiert sich – auf die eine oder andere Art und Weise.

Pfaffenhofen kann auch politisch

Wenn man in der Hallertau auf normalen Wahlkampfveranstaltungen unterwegs ist, könnte man fast unterstellen, Pfaffenhofen, Mainburg und Co. wird von einem eher unpolitischen Volk bewohnt. Selten füllen Politiker noch große Säle, noch seltener kommt es zu Demonstrationen oder Kundgebungen. Warum auch? Unserer Region geht es gut, die Arbeitslosenzahlen sind auf einem Tiefstand, die Kriminalitätsrate ist im oberbayernweiten Vergleich niedrig. Aber etwas hat sich geändert. Die Sprache der Menschen – und vielleicht auch deren Quelle.

„Nach Rücksprache mit seinem Personenschutz tritt Jörg Meuthen nicht mehr unter freiem Himmel auf“, erklärt AfD Bundestagsabgeordneter Johannes Huber. Zu groß seien die Bedenken, dass es gegenüber AfD-Bundessprecher Meuthen zu Angriffen kommen könnte. Auch Schutzglas wurde am Rednerpult installiert. Die Bezirkstagskandidaten Josef Robin und Melanie Hilz, die  Landtagskandidaten Bernhard Kranich und Tobias Teich und zuletzt Landesvorsitzender Martin Sichert treten nach und nach an das Rednerpult. Im Kreuzfeuer befindet sich vor allem die Union. „Jeder Tote im Mittelmeer ist die Schuld von Merkel“, heißt es. Die konsequente Rückführung der CSU sei eine Lüge, man lasse massenhaft IS-Anhänger und Verbrecher ins Land – „die Schlächter aus dem Nahen Osten“. Angst. 

 Auf der anderen Seite des Platzes kommen auch Menschen auf die Bühne: Pfarrer, Bürgermeister, Schauspieler und Gewerkschaftler für „Pfaffenhofen ist bunt“, initiiert von einem Aktionsbündnis um den SPD-Landtagskandidaten Markus Käser. „Angst ist kein guter Ratgeber“, meint George Spanos, evangelischer Pfarrer. „Herz statt Hetze“ steht auf zahlreichen Plakaten, die die Menschen in die Luft halten. „Gauland und Co haben zu Hetzjagden aufgerufen, die irgendwann auch zu Taten führen werden“, befürchtet DGB-Kreisvorsitzender Roland Dörfler. „Wir dürfen die Angst nicht denen da drüben überlassen“, erklärt Spanos. „Wovor haben die eigentlich so Angst?“, murmelt ein junger Mann seiner Begleiterin zu. Angst.

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Von den sozialen Medien auf die Straße

Dass es in der Pfaffenhofener Seele brodelt, zeigt sich nicht erst, seitdem sich AfD und die Anhänger von „Pfaffenhofen ist bunt“ auf dem Hauptplatz gegenüberstanden. Wer mit offenen Augen in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, sieht, dass es zwei Lager gibt, merkt, dass die Auseinandersetzung zwischen Rechtspopulisten und deren Gegnern nicht nur die Nachrichten der großen und weiten Welt dominieren. Neu ist das nicht, sondern vielmehr eine Entwicklung, die sich seit Jahren gefühlt mit sich selbst potenziert. Nirgendwo tritt das prominenter zutage, als in Facebook-Gruppen wie „Interessantes aus PAF und Umgebung“.

Seit Monaten kommt es in der Gruppe mit über 6.000 Mitglieder zu regelmäßigen, leidenschaftlich geführten Diskussionen, wenn es um politische Berichterstattung geht. Die Mechanik dahinter ist schnell erklärt. Wie auch im realen Leben umgeben wir uns in der virtuellen Welt größtenteils mit Menschen, die unsere eigenen Überzeugungen und Gefühle teilen, reproduzieren und bestätigen. Der Algorithmus, der bestimmt, welche Beiträge auf unserem Newsfeed landen, verstärkt das noch mal, weil Facebook und Co. ihren Usern eine optimale Nutzererfahrung bieten wollen. Die Wissenschaft hat dafür viele Namen, aber egal ob man es Echo-Kammer-Effekt oder Informationsblase nennen will: In auf Lokalität basierenden Gruppen wie „Interessantes aus Pfaffenhofen und Umgebung“ platzen diese Blasen, Meinungen treffen aufeinander, es kommt zu Streit. Soweit das Einmaleins der sozialen Netzwerke.

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Ein Echo der Angst

Schnell wird eine Meldung über die Hilfe des Landratsamtes zur Wohnungssuche von Geflüchteten zur Kampffläche der Meinungsverschiedenheiten. Man selbst findet keine Wohnung, man selbst erhält keine Hilfe dafür – warum sollten dann diese Fremden Hilfe erhalten? Andere halten dagegen, weisen auf die Komplexität des Problems hin, trotzdem: Die Kausalkette ist stringent und macht auf den ersten Blick Sinn, auch wenn sie in der Lösung des Problems zu kurz greift.  Gleichzeitig ist sie der Nährboden, aus dem der Populismus seine Strahlkraft zieht. Sie führt dazu, dass Menschen Angst haben – und auf die Straße gehen.

„Für alte Menschen ist es eine Zumutung, wenn sie von Menschen umgeben werden, die nicht mehr Deutsch reden“, skandiert Sichert seinen Unterstützern entgegen. Geflüchteten eine Bleibeperspektive zu geben, wenn sie einen Pflegeberuf ergreifen? Der CSU Weg sei verantwortungslos. „Nazis raus!“- und „Geh hoam!“-Rufe hallen mittlerweile über den Marktplatz. Die Bayernhymne wird gespielt, die Deutschlandhymne folgt. Um kurz nach sieben zerstreut sich die Menge.

Dabei ist der grundsätzliche Konflikt ein sehr klassischer. Es braucht Lösungen für den Wohnraummangel, es braucht mehr Lehrlinge in den Ausbildungsberufen, es braucht eine Verbesserung der Lage vieler Pflegekräfte. Die Probleme haben beide Seiten erkannt – nur die angebotenen Lösungen führen zu immer weiter verhärteten Fronten. Und dann beschäftigt man sich vor allem mit einer Sache: der Angst.