Rudi und der Hopfenpoker
Der kleinstrukturierte Hopfenanbau in der Hallertau sieht sich einem massiven globalen Wachstum der Anbauflächen gegenüber. Das verschärft die Lage für kleinere und mittlere Familienbetriebe wie den von Vollerwerbslandwirt Rudolf Randelzhofer.
Rudolf Randelzhofer junior, kurz „Rudi“, ist Vollblut-Hopfenbauer. Sein Blick ist offen, freundlich und aufgeweckt, zum Thema „Grünes Gold“ sprudeln die Worte nur so aus ihm heraus. Die perfekte Temperatur seiner Klimakammer hat er stets im Blick. Die Geschichte seines Hofes kann er trittsicher mit Jahreszahlen begleiten, während er kurz mit der Hand durch den mit Dolden gefüllten Container streicht und diesen dann mit dem Kran zur Darre hochzieht. Rudi führt einen eher kleinen Hopfenbetrieb mitten im Ortskern von Wolnzach und gibt gerne einen Einblick, was es heißt, die Landwirtschaft, die Musik – seine große Leidenschaft – und eine Familie unter einen Hut zu bringen.
Seinen Betrieb bewirtschaftet der zweifache Vater nämlich gemeinsam mit seiner Familie, wie so viele Hopfenlandwirte in der Hallertau. Anders wären sie nicht konkurrenzfähig mit den größeren amerikanischen Betrieben. Nebenbei stellt Rudi im Jahr über 500 Liter seines eigenen Hopfenlikörs, der „Hopfalaus“, her. Eine Idee, die 2003 geboren wurde, als die Hopfenpreise eine Zeit lang schlecht standen. Not macht erfinderisch. Und Erfindungsreichtum dürfte bei der derzeitigen Entwicklung im Hopfenanbau angebracht sein.
„I bewunder an Rudi scho a bissal. Die Ruhe, die er hod, bei allem, wos er macht. Und es is einfach a guade Familie mit Zusammenhalt.“
Mehr Spieltische beim Hopfen-Poker
Die USA hat laut dem Hopfenmarkt- und Pflanzenstandbericht der Barth-Haas Group im Jahr 2018 eine Rekordanbaufläche von 22.400 ha bebaut. Das entspricht fast einer Verdopplung der Anbauflächen seit 2012, wodurch die USA Deutschland überholt haben. 2018 hat Deutschland dank eines Flächenwachstums von 600 Hektar die 20.000 Hektar-Marke geknackt (20.144 ha). Es gibt also mehr Spieltische, an denen die Spieler/Hopfenpflanzer ihr Glück versuchen können – dem Craft-Bier sei Dank.
Obwohl 2017 und vermutlich auch 2018 weltweit der Bierausstoß stagniert, steigt die Hopfennachfrage aufgrund des anhaltenden Booms der geschmackvolleren und stärker gehopften Biere an. Es werden weiterhin erfolgreich neue Premium-Biere am Markt eingeführt, die auf höherwertigen Rohstoffen basieren. Das Craft-Bier verbraucht bei geringem Marktanteil (2,5 Prozent) mit satten 20 Prozent einen hohen Anteil der globalen Hopfenernte. Wachsen die Gebiete weiter so stark an oder bricht der Trend ein, kommt es irgendwann wieder zur Überproduktion, die das Hopfengeschäft in eine Preiskrise stürzen könnte. Laut Rudi ist das „sogar absehbar“. Doch im Moment ist Hopfen weiterhin im Aufwind, die „Chips“ können für gutes Geld eingetauscht werden. Seit 2008 ist der Durchschnittspreis der mehrjährigen Verträge um 12 Prozent auf 4,90 Euro pro Kilogramm Hopfen gestiegen.
Im Yakima Valley im Staat Washington, wo rund drei Viertel des amerikanischen Hopfens produziert werden, herrscht eine Mischung aus heißem und kaltem Wüstenklima. Das günstige Klima ergibt mit reichlich Bewässerung aus dem Yakima-Fluss ein ideales Umfeld für den Hopfenanbau. Im Tal des Yakima werden die Hopfenbetriebe in der dritten oder vierten Generation bewirtschaftet und sind im Schnitt 182 Hektar groß. Die meisten Landwirte sitzen an mehreren Spieltischen und bauen zusätzlich Obst, Minze, Weintrauben oder Reihenkulturen (wie Kartoffeln oder Gemüse) an.
Kein Mauerblümchen
Kehren wir zurück in die Hallertau, wo der Hopfen seit dem neunten Jahrhundert schriftlich belegte Tradition hat und die Kräuterbiere ab dem 13. Jahrhundert langsam verdrängte. Wo die Betriebe 2018 im Schnitt eine Größe von 18,6 ha haben, also einem Zehntel der Yakima-Betriebe. Wo dieses Jahr unter anderem eine extreme Hitzephase die Ernte um 8% geschmälert hat. Wo Bewässerungsanlagen noch lange kein Standard sind. Wo Pflanzenschutz und akribische Dokumentation gerade kleineren oder mittelständischen Landwirten einiges abverlangen. Der bürokratische Aufwand ist nicht zu unterschätzen; Rudi verwendet wöchentlich circa drei bis vier Stunden beispielsweise auf Verträge für externes Personal, Buchführung oder die penible Dokumentation von Spritzmitteln. Denn bei jedem Hopfenballen muss am Ende nachvollziehbar sein, wo wann geerntet und auf welche Weise behandelt wurde.
Vor diesem Hintergrund betreibt Rudi Randelzhofer mitten im Ortskern auf engstem Raum einen 15-Hektar-Hopfenbetrieb mit rund 60.000 Drähten – umgeben von Wohnhäusern, Geschäften und Asphalt, von Anzugträgern, Fußgängern und parkenden Autos. „Unsere Lage ist kein Spaß, sondern ein großes Handicap, mit dem wir leben müssen“, betont Rudi. Die Platznot und der umliegende Verkehr haben bei Kollegen in der Branche schon Kopfschütteln ausgelöst. Die Anfahrt zu den Feldern ist für die Randelzhofers stets zwei bis drei Kilometer lang. Noch dazu liegen die Felder etwas verstreut, der Fahrtaufwand ist hoch. Zur Hopfenernte muss der Hof umgebaut werden, um Platz für Logistik und Hopfen zu schaffen. Die Anfahrtsstraße sichern die Randelzhofers extra mit Parkverbotsschildern, um dem Traktor samt Abreißgerät einen reibungslosen Transport zu gewährleisten. Aber Rudi wohnt gerne hier, sieht den Maßkrug eher halbvoll als halbleer. „Man liegt hier zentral, was das Einkaufen oder Weggehen angeht. Man sieht immer Leute, es ist immer was los.“ Für einen geselligen Musiker ist das wichtig.
Tanzbein – Standbein – Hobby
„Es lag immer in meiner Hand, ob ich den elterlichen Betrieb weiterführe oder nicht“, sagt Rudi. Neben einer landwirtschaftlichen Lehre hatte er nämlich schon immer musikalische Ambitionen, die das Elternhaus voll unterstützt hat. Ein Studium des „Jazz-Drumming“ an der Hochschule hätte sich Rudi, mit Leib und Seele Schlagzeuger, gut vorstellen können. Vor gut 25 Jahren gab es aber nur eine klassische Ausrichtung – und so blieb die Musik sein zweites Standbein. Seit 1990 war er für die Oktoberfestkapelle der Augustiner-Festhalle in München aktiv. Die Serie von 28 Jahren Engagement reißt heuer allerdings.
„Die Hopfenernte mit 16 Arbeitsstunden am Tag verschiebt sich weiter nach hinten, vielleicht gibt es noch Verzögerungen durch Regen, dann die Wiesnzeit, wo ich nur zum Schlafen heimkomme … Danach haut es mir meist das Gestell zusammen und ich werde krank“, resümiert Rudi. „Dazu jetzt noch zwei Kinder, da haben wir gesagt, dass das jetzt nicht mehr geht.“ Seine Band, die Partypiloten, hatte sich bereits 2014 nach elf Jahren Bestand aus verschiedenen Gründen aufgelöst. Gelegentliche Auftritte mit der Wolnzacher „Hard-Folk-Band“ A Baker’s Dozen oder Aushelfen beim Wolnzacher Volksfest lässt er sich dennoch nicht nehmen. Musik ist zum Hobby geworden.
„Rudi ist ein traditionsbewusster, heimat- und familienverbundener Hopfenbauer mit Leib und Seele, dessen Herz für die Musik schlägt.“
Eine Frage der Motivation
Eine bestimmte Art von Unabhängigkeit ist Rudis Hauptmotivation für sein Leben als Hopfenlandwirt. Diese erlaubt ihm, seinem Hobby nach wie vor frönen und sich auch sonst vieles in seinem Leben gut einteilen zu können. „Ich bin an die Natur, den Hopfen und das Wetter gebunden, aber ich genieße eine gewisse Freiheit. Die Arbeit muss zwar gemacht werden, aber sie ist abwechslungsreich und ich bin viel draußen.“ Stolz ist er, wenn trotz Hektik und Stress alles gut gelaufen ist und keine Unfälle passiert sind. Ein Glück, denn bei fünf Arbeitskräften zur Erntezeit würde das im Einzelfall – neben dem Unglück einer Verletzung – einen Ausfall von 20 Prozent der Produktionskraft bedeuten.
„Der Preis, den man zahlt, ist, dass man angebunden ist. Aber das Schöne ist, dass mein Mann halt viel daheim ist. Da kann man auch spontan mal was machen oder ich kann ihm den Kleinen in die Hand drücken, wenn ich Besuch bekomme. Ich komme ja aus dem Finanzbereich und das mit der Landwirtschaft hat sich eben so ergeben. Da machen wir das Beste draus!“
Wer geht „all-in“?
Der mögliche Ausfall von Schlüsselkräften in einem Familienbetrieb erzeugt – neben der genannten Unfallgefahr – auch wirtschaftlich ein unerbittliches Fragezeichen. Laut Rudis Aussage gebe es „auch viele junge, total motivierte Hopfenbauern“. Aber da müsse eben alles passen mit Frau und Familie. Wie lange können die Eltern noch mitarbeiten? Können sich beide Generationen auf eine Arbeitsphilosophie einigen? Will eines der Kinder den Hof einmal übernehmen? Findet man einen Partner, der mitspielt und auch mal harte Zeiten durchsteht? „Man braucht auch zuverlässiges externes Personal, das verpflegt und untergebracht werden muss“, so Rudi.
„Ohne Familie geht’s nicht. Ich bin hier aufgewachsen und habe immer gerne in der Landwirtschaft mitgeholfen, auch wenn ich vielleicht etwas anderes machen hätte können. Das Schönste ist, wenn man am Jahresende sieht, was man erreicht hat. Wenn man sich belohnt. Wir freuen uns natürlich, dass es mit dem Hof weitergegangen ist.“
Neben dem Personal sind die großen Maschinen ein weiterer großer Risikofaktor. Die Hopfenmaschine, die das ganze Jahr über stillsteht und gewartet wird, muss beispielsweise punktgenau im Spätsommer drei Wochen auf Hochtouren reibungslos funktionieren. Generell braucht der Hopfenbauer ein Gespür für Investitionen, denn während die Raten für die Rückzahlung gleichbleiben, kann sich der Preis für den Hopfen innerhalb weniger Jahre ändern. Mit stärkerer Mechanisierung kann er wiederum mehr Flächen bewirtschaften. So nimmt der Strukturwandel immer größere Ausmaße an. Das passt natürlich nur bedingt zur zersiedelten Hallertau. Als weitere hallertauspezifische Hindernisse führt Werner Brunner (stellv. Geschäftsführer, Verband deutscher Hopfenpflanzer e.V.) die restriktive Bewässerungspolitik, die Gefahr von Krankheits- oder Schädlingsbefall sowie die kapitalintensive Produktion an. Da kann ein Bauer schnell in die Finanzierungsfalle geraten.
„Die Entwicklung geht hin zum Vollerwerbs-Hopfenbauern. Dazu ist eine gewisse Flächengröße notwendig. Der Hopfenanbau ist kostenintensiv, bei einem durchschnittlich großen Betrieb kommt eine Million Euro an Investition für den Maschinenpark schnell zusammen.“
„Der Hopfenanbau ist eine kleine Lotterie“, schmunzelt Rudi. „Es kann sein, dass man gute Verträge macht oder sich der Markt total dreht. Wir haben es immer relativ gut erwischt, aber da gehört auch ein bisschen Glück dazu.“ Einige Betriebe hatten sich in den schlechteren Jahren preislich festgelegt und versucht abzusichern. In den letzten Jahren sind die Preise allerdings gestiegen, auch dank der Züchtung ertragreicherer Sorten. Die Sicherheitsorientierten sitzen am selben Casino-Tisch wie die anderen Hopfenbauern, bekommen bei gleicher Arbeit und Qualität aber weniger Geld für ihre Chips. „Daran knabbern sie jetzt“, sagt Rudi.
Denn stehenbleiben darf der Hopfenbauer nicht, wenn er konkurrenzfähig bleiben will. Die richtigen Investitionen zur richtigen Zeit zählt Rudi zu seinen größten Erfolgen – ob das nun ein Rückewagen oder größere Seilwinden für die Forstwirtschaft oder eine Klimakammer für den Hopfen waren. Als die „Small“ und „Big Blinds“ (die notwendigen Mindesteinsätze für eine Runde Poker) kamen, hat Rudi seine Hand richtig gespielt. Er musste nie „all in“ gehen und zu viel auf einmal investieren. „Das kann für einen Betrieb nämlich auch das Aus bedeuten“, erklärt Rudi. Er ist „am Ball geblieben“ und kann weiter vollerwerblich beim Hopfenpoker seine Chips setzen.
Rudis Hopfenbetrieb in Zahlen
• 15 ha mit 60.000 Drähten bewirtschaftet Rudi mit seinem Hof vollerwerblich mitten in Wolnzach. (zum Vergleich: 688 ha umfasst die Elk Mountains Farm von Anheuser Busch, der wohl weltgrößte Hopfenbetrieb, nahe der kanadischen Grenze in Idaho, USA)
• 540 – 720 Liter Hopfenlikör stellt Rudi pro Jahr her
• Ca. 20 ha umfasst ein durchschnittlicher Hallertauer Hopfenbetrieb
• 16 Stunden am Tag arbeitet Rudi während der Ernte
• 6 Tage pro Woche von März bis November arbeitet Randelzhofer senior noch am Hof mit
• 5 Arbeiter erledigen die Ernte (Fahren/Ernten, Einhängen, Trocknen, Pressen)
• 3 – 4 Stunden pro Woche erledigt Rudi Papierkram
• 3 Traktoren nutzt Rudi auf seinem Hof (ein großer und zwei Plantageschlepper)
• 2 – 3 km Anfahrt zu seinen Feldern sind es von der Hofstelle aus