Mein Lieblingsort in der Hallertau #5: Der Barthelmarktplatz

Vier Tage lang das Aneinanderklirren von Krügen, Blasskapellenmusik, Menschen die lachen, sich unterhalten und plötzlich: Stille. Nichts rührt sich. Die Vielfältigkeit des Barthelmarktplatzes hat mich mein Leben lang begleitet.

Feature von Andreas Binner, August 23, 2019

Das Vorwärtskommen ist mühselig. Autos schieben sich dicht gedrängt im „Stop-and-go-Verfahren“ vorwärts. Dazwischen bewegen sich Radfahrer und Fußgänger durch das Gedränge. Normalerweise wäre mir diese Situation zuwider, heute bleibe ich entspannt. Die Vorfreude ist zu groß auf das, was mich am Ende der Straße erwartet. Fast jeder ist in Tracht. Ich fahre über die kleine Brücke, passiere das Ortsschild und bin plötzlich mittendrin. Angekommen. Am Barthelmarkt in Oberstimm. Das wohl älteste Volksfest der Welt.

 

Einige Wochen zuvor

Das Feuerwehrhaus zu meiner Linken wirkt verlassen – Gott sei Dank möchte man meinen. Auch der große Platz vor mir wirkt nahezu leer. Im Schatten der großen Bäume, die den Rand säumen stehen zwei Campingwägen. Zwei ältere Ehepaare haben davor einen Grill angezündet, Urlauber auf der Durchreise möchte man vermuten. Wie sie fernab der Autobahn bis hierher gefunden haben, bleibt ein Rätsel. Ansonsten wird der fast karge Platz von ein paar Skater Rampen geziert. Ein LKW Fahrer hat am Rande der Straße seinen Anhänger abgestellt. Dazwischen Schotter, ein bisschen Grün und der Asphalt der Straße, der sich entlang des Platzes zieht.

 

Objektiv gesehen nicht gerade der schönste Ort und dennoch: Der Ort, der mich mit zahlreichen Erinnerungen prägt. Im Sommer, auf dem Weg zum Weiher, mit dem Fahrrad quer über den Platz gefahren, gespannt Ausschau danach gehalten, ob die ersten Wirte bereits ihre Zelte aufbauen.

 

Mit 18 Jahren endlich den Führerschein in der Tasche und glücklicherweise auch das erste eigene Auto. Einen 3er Golf. Und wie man es in seiner Jugend, fernab jeglichen Bewusstseins für die bevorstehende Klimakatastrophe, eben so macht: Man holte seine Freunde von Zuhause ab und fuhr bei schönstem Wetter mit herunter gelassenen Fenstern durch die Gegend. Der Barthelmarkt Platz war stets das letzte unserer Ziele, egal wohin zuvor die Reise ging. Das Auto wurde dann in der Mitte des Platzes geparkt, Türen auf, die Musik auf volle Lautstärke. Hier draußen störte das niemanden. Wichtig: Dabei möglichst cool ans Auto lehnen. Blindlings vermochten wir die Standorte der einzelnen Zelte auszumachen, die hier in ein paar Wochen stehen würden.

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Zurück in die Gegenwart

Der Vorplatz des Feuerwehrhauses steht nicht mehr leer. Einsatz- und Rettungskräfte haben dort ihr Lager aufgebaut. Bierbänke und Sonnenschirme stehen bereit. Die Stimmung ist entspannt. Die Grünflächen gegenüber sind vollgestellt mit Fahrrädern. Wer nicht keine größeren Entfernungen zurücklegen muss, bevorzugt den Drahtesel. Dieses Jahr vielleicht auch den E-Roller. Ich schiebe mich langsam durch die große Straße vor den Zelten entlang. Die Stände dort haben sich in all der Zeit kaum geändert. Am Anfang der Straße der Crêpes Stand, daneben der Pflanzen- und Blumenverkäufer. Süßwarenstände, Ledergürtel, Schiffschaukel und Spielwaren für die Kinder. Kurz darauf die erste Fressbude und das erste Zelt. Auch deren Reihenfolge ist in meinen Erinnerungen bisher unverändert geblieben. Ingobräu, Spaten, Törring und Herrnbräu Zelt. Man läuft keine 10 Meter, ohne das erste bekannte Gesicht zu treffen. Es wird gegrüßt, sich kurz ausgetauscht, wer sitzt wann in welchem Zelt. Jeder mit demselben Ausdruck auf dem Gesicht „Endlich geht’s wieder los“. Ich kenne das alles seit meiner Geburt. Seid mich meine Eltern damals schon über den Barthelmarkt geschoben haben.

Ich erreiche das Herrnbräu Zelt, gehe ums Zelt herum in den Biergarten, setzte mich zu meiner Familie, meinen Verwandten und Freunden, bestelle die erste Mass Bier. Wir stoßen an. Endlich angekommen. Endlich Barthelmarkt in Oberstimm.