Mögen die Sauglocken noch lange läuten

„Uns kann man in keine Schublade stecken!“ Das erklären Sauglockenläuten alias Walter Zinkl und Ritsch Ermeier unisono beim persönlichen Gespräch unter sechs Augen.

Feature von Simone Huber, Juli 20, 2019

Ois Guade zum Geburtsdog! Mit über 100 selbstgemachten Nummern läuten die Glocken der beiden Hallertauer Musik-Kabarettisten seit zwei Jahrzehnten auf Gaststubenparketts und Wirtshausstuben und lesen damit Politik und Gesellschaft raffiniert und viel bayerischer Seele die Leviten. Auch ihr Jubiläumsprogramm ist gesalzen wie eh und je.

Das Jubiläumsprogramm

„Vor 20 Jahren haben wir Lieder geschrieben, die sind heute noch genauso aktuell“, sagt Bassist Walter Zinkl. Das aktuelles Programm heißt „Zurück in die Vergegenkunft“. Ein Wortspiel mit Hintergedanken. Spannt es doch den Bogen von Liedern aus der musikalischen Vergangenheit, zu aktuellen Stücken und solchen, die noch in der Mache sind.  Viele Stücke von damals haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Der Song Prima Klima in Bavaria ist vor zehn Jahren entstanden und behandelte bereits damals den Klimawandel.

„Heute stecken wir mitten drin“, sagt Walter. Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft  könne man strenggenommen eh nicht trennen. Dahinter steckt ein riesen Überbau, bei dem Walter  und Ritsch schon fast philosophisch ausschweifen. Was genau ist Gegenwart? Wie lange dauert sie?  Mit solchen fast schon erkenntnistheoretischen Fragen sieht sich das Publikum im neuen Programm konfrontiert – und das macht die beiden Hallertauer auch aus.

„Vor 20 Jahren haben wir Lieder geschrieben, die sind heute noch genauso aktuell“

Walter Zinkl

SO KLINGT DIE HALLERTAU

Wie klingt denn unsere Heimat so? Weil das keiner so genau sagen kann und sich der Sound einer Region immer wieder verändert, gehen wir für euch immer wieder raus. Ob Kapelle oder Band, ob Chor oder Poetry Slam, ob Singer-Song-Writer oder Multi-Instrumentalisten, wir hören zu.

Sauglocknläutn auf Spotify

Sauglockenläuten in den Anfängen

Aller Anfang war im Dezember 1998. Damals spielte Sauglockenläuten noch zu viert in anderer Besetzung. Ohne Ritsch Ermeier. Im Kopf ist die Idee allerdings schon ein Jahr vorher geboren. Es war auf der Geburtstagsfeier einer guten Bekannten. „Zu vorgerückter Stunde und nach etlichen alkoholischen Getränken hab ich gesagt: Gabi, nächstes Jahr spiele ich!“, erinnert sich Walter Zinkl.  Ambitionen auf eine Musikkarriere  hegte der studierte Bassist damals noch keine. Weitere Anfragen für Auftritte in Münchner Wirtshäusern ließen jedoch nicht lang auf sich warten und so kam der Stein immer weiter ins Rollen. Nach ein paar Jahren stieß der Holledauer Ritsch Ermeier dazu. Walter, ursprünglich einer Münchner Kindl ist, hat es daraufhin nach Mainburg auf´s Land verschlagen. „Die Vorzüge des Landlebens würde ich nicht mehr missen wollen“, gesteht er. Seither sind die Zwei zu Lokalmatadoren geworden und können auf zahlreiche Auftritte in Bayern und der Hallertau zurückschauen.

 

„Wir passen in keine Schublade hinein“

Längst gehören Sauglockenläuten zu den festen Größen der heimischen Musikszene. Und dennoch widerstrebt es ihnen, sich in eine Genre-Schublade pressen zu lassen. „Rundfunk und Fernsehen zögern manchmal, uns zu engagieren, weil sie nicht wissen, wo sie uns hinstecken sollen“, erklärt Ritsch. Doch das sei ihm und Walter herzlich egal. „Uns kann man eben nicht in eine Schublade stecken. Wir wollen unser Ding machen. Eben Musik à la Sauglockenläuten“.

Nur von der schönen heilen Welt auf der Alm zu singen, passt nicht zu den Vollblutmusikern. Kitsch und Pathos sind den beiden Multiinstrumentalisten fremd. Erscheinungen, die ihnen Sorge bereiten und die sie deshalb nur allzu gern aufgreifen, „de gibt’s grod gnua“, meint Ritsch. Thermomix-Wahn, Hühnerlegebatterien, Plastik, völkischer Nationalismus sind da nur ein paar Beispiele.

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Den Finger in die Wunde legen

Reiner Klamauk oder triviale Gags sind nicht ihr Ding. „Wir philosophieren recht gern über uns und die Welt“, gestehen sie. Und ein gewisser Kritiksinn mit Hang zur Satire muss sein. Wenn sie sich aussuchen könnten, wer in ihrem Publikum sitzt? „Nicht nur Beifallklatscher und Claqueure. Unsere Texte sollen anregen, das eigene Verhalten auf den Prüfstand zu stellen. Manchmal spielen wir subversiv einen Landler und singen aber über Massentierhaltung. Die Kunst ist es, ernste Themen nett zu verpacken. Humorvoll, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger“, sagt Ritsch. Einerseits kann man über Glyphosatpartys im Hühnerstall und Rechts-Linkspopulisten noch lachen, andererseits bleibt einem das Lachen manchmal im Halse stecken, weil es so bitter ist“.

 

Der Eine spielt nach Noten, der Andere nach Gehör  

So sehr sich Ritsch und Walter in Sachen Klang und Arrangement einig sind, so sehr treffen bei den beiden auch zwei Pole aufeinander. Walter kennt die Musik, die Notensprache. Er ist studierter Bassist und Musiklehrer. Ritsch ist mehr der intuitive Typ, der viel über das Gehör imitiert. Noten lesen ist ihm ein Graus. Trotzdem oder genau deswegen ergänzen sich beide so gut. „Der Walter hat mir letztens ein Notenbuch geschenkt, das auch einen Bezug zu meinen Hallertau-Stadtführungen hat. In der Hoffnung, dass ich Noten lese. Ich hab mich tatsächlich durchgearbeitet. Aber es war hart“, sagt Ritsch.

Trotzdem ist der Gleichklang da, sonst könnten sie nicht zusammenspielen. Walter: „Noten allein machen noch keine Musik. Unsere eigenen Kompositionen auf dem Blatt werden „live“ re-interpretiert. Der Klang der entsteht, kann bei jedem Konzert variieren“. Ein weiterer Beleg, dass man Duo nicht eine Schublade stecken kann.

„Vor 20 Jahren haben wir Lieder geschrieben, die sind heute noch genauso aktuell“

Walter Zinkl

Das Sauglocken- Riesenrepertoire umfasst mehrere 100 selbstgeschriebene Titel. Hier eine Playlist mit ihren Toptiteln!