Mein Lieblingsort in der Hallertau #9: Bergkirche Sankt Salvator in Mainburg

Ruhe ist das schönste Geschenk, das sich Autorin Silke Weiher zu Weihnachten vorstellen kann. In der Bergkirche Sankt Salvator hat sie sie gefunden

Feature von Silke Weiher, Dezember 25, 2019

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Ein leises Quietschen. Dann ein Klacken. Die Tür ist zu. Ich höre. Nichts. Nur mein Atem rauscht durch die Stille der Kirche. Er muss sich erst beruhigen. Ich bin zu Fuß hier hoch gelaufen. Vom Marktplatz in Mainburg, über den Christlberg, den Kreuzweg hoch, bis zum Eingang von Sankt Salvator. 14 Stationen, 172 Treppen durch den Laubwald, dessen Bäume jetzt im Dezember ziemlich leer dastehen. Schade, dass kein Schnee liegt. Aber dafür scheint die Sonne auf die gelb-weißen Mauern der alten Klosterkirche. Und als ich drin bin, finde ich endlich das, was ich seit Tagen suche: Ruhe.

Es ist der 20. Dezember, noch vier Tage bis Weihnachten. Draußen herrscht Hektik. Gestern war Weihnachtsfeier im Büro, heute Adventsfrühstück im Kindergarten und Krippenspiel in der Grundschule. Und abends ist heute auch noch Klassentreffen vom Abi-Jahrgang. Die Redaktion wartet auf einen Text von mir, die Kinder warten aufs Christkind und schreiben den Wunschzettel nochmal um. Sie wollen Schlittenfahren, obwohl kein Schnee liegt. Im Keller türmt sich die Wäsche, seit Tagen haben wir keine frischen Socken mehr im Schrank. Von Unterhosen ganz zu schweigen. Gestern hat unser Herd den Geist aufgegeben, und die Spülmaschine klingt irgendwie komisch. Ich muss noch Geschenke verpacken, Weihnachtskarten schreiben, Baum schmücken, Gans stopfen… die Liste kommt mir unendlich vor.

Hier zählt nur der Moment. Zum ersten Mal seit Wochen. Das Holz der Sitzbank knarzt, als ich mich setze. Ich atme durch. Sehe der Sonne dabei zu, wie sie im Altarraum das Licht anknipst. Der Weihrauch lässt sich noch erahnen. Die beiden Christbäume stehen still und bescheiden neben dem roten Teppich. Die sind auch noch nicht geschmückt, das beruhigt mich irgendwie. Ich schließe die Augen. Der Stress, der mir die ganze Zeit im Nacken saß, ist draußen geblieben. Ich lasse ihn noch ein bisschen warten und steige die Treppen hoch zur Orgel.

Ich schließe die Augen. Orgelmusik schleicht sich in mein Ohr: „Stille Nacht, heilige Nacht. Alles schläft, einsam wacht.“ Von hier aus habe ich als Kind die Christmette verfolgt. Um Mitternacht saßen meine Mama, meine Schwester und ich hier und haben den Heiligen Abend ausklingen lassen, während mein Papa zu Hause die Stille genoss. Um nichts in der Welt hätte ich mit ihm tauschen wollen: Wenn alle Lichter in der Kirche ausgingen und wir bei Kerzenlicht mit allen „Stille Nacht“ anstimmten, war Weihnachten in mir. So wie jetzt. Ich bekomme Gänsehaut.

Langsam steige ich die Treppe hinunter. Ich muss wieder los. Jetzt kann Weihnachten kommen.


Mein Lieblingsort in der Hallertau

Klar, Vielfalt ist etwas Schönes. Und doch gibt es manche magische Plätze, die uns immer wieder in ihren Bann schlagen und zu denen wir gerne zurückkehren. Wo man immer wieder gerne auf einen Drink hingeht und alte Bekannte trifft. Ein Weiher, an dem die Uhren einfach ein bisschen anders ticken. Oder ein Winkel, an den wir nur unsere besten Freunde mitnehmen. Diese Rubrik ist nicht nur ein Lieblingsplatz auf unserer Seite, sondern auch ein Ort, um unseren ganz eigenen Favoriten in der Hallertau ein Zuhause zu geben.

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